Die Hürden des Thai-Lernens                                                                                 Besonderheiten des Thai-Lernens

 


Frage: Könnte ich das auch noch schaffen?

 

Die Frage ist mit einem klaren „Ja“ zu beantworten, soweit keine besonderen physiologischen Beeinträchtigungen vorliegen. Wir alle, davon gehe ich aus, erfreuten uns – in Bezug auf Thai – nicht des „Heimspiels“ eines Embryos, der schon die Melodie der Sprache im Leib der Mutter aufnahm. Auch genießen wir nicht mehr den Vorteil, im Stadium des kindlichen Lernverhaltens zu sein. Also müssen wir uns den Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten des Fremdsprachen-Erwerbs im Erwachsenenalter stellen. Doch jenseits des Kindesalters – und das ist die gute Nachricht – gilt: die Lernfähigkeit eines Mitte-Zwanzig-Jährigen unterscheidet sich zu der eines Mitte-Sechzig-Jährigen nur äußerst geringfügig.

 

Eine viel wichtigere Frage als die des Alters ist die Triebfeder für unser Lernvorhaben: die Motivation. Auf das „Warum“ kann es individuell ganz unterschiedliche, gute Antworten geben – Tourismus, Business, Politik, Wissenschaft, nicht zuletzt die Liebe. Denn alle eint der eine Wunsch: Kommunikation mit den Menschen in einem fremden Land.

 

Die zweite Größe, die meist im Vorfeld der Überlegung nicht entsprechend ermessen wird, ist der Faktor Zeit. Die wichtigste Hürde, die es hierbei zu nehmen gilt, ist die Regelmäßigkeit des Lernens. Ja, natürlich wäre ein tägliches Lernen wünschenswert. Doch bleiben wir realistisch, welchem im Berufsleben stehenden Menschen gelingt das aus eigener Kraft? Ein Wochenpensum ist jedoch eine unumgängliche Voraussetzung für den progressiven Fremdspracherwerb.

 

Mit dem „Wann“ ist ganz eng das „Wo“ verknüpft. Ein weit verbreiteter Trugschluss ist es zu glauben, eine Fremdsprache lasse sich in den Jahres-Urlauben vor Ort erlernen, ohne dass in den Alltags-Monaten konzentriert weiter geübt und gelernt wird. Wer also nicht das wunderbare Privileg hat, sich für lange Zeit in Thailand aufhalten zu können, der muss sich seinen Spracherwerb Zuhause gut organisieren. 

 

Denn bei allem Mut und ehrlicher Motivation, ist es nur den wenigsten gegeben, im Alltag improvisierend mit der / dem Herzallerliebsten Thai zu lernen, jedenfalls als Anfänger. Ist man nicht eines dieser sagenhaften Sprachgenies, denen eine fremde Sprache auf geheimnisvolle Art und Weise einfach ‚zufliegt‘, führt diese „Methode“ eher zu erheblicher Frustration für beide Seiten. Der durchschnittliche erwachsene Lerner gehört zum kognitiven Typ. Und dieser stellt nun mal den lieben langen Tag andauernd Fragen. Doch wie soll ein normaler Thai-Mensch die alle beantworten? Und wissend um die Krise, in die eine unbeantwortete Frage ein Thai-Herz stürzen kann, ist man gut beraten – allein schon, um „Schlimmeres“ zu verhindern –  von diesen eventuell leichtherzig eingeschlagenen Weg Abstand zu nehmen.

 

Ganz Tapfere probieren es vielleicht mit Hilfe eines Buches, eines Thai-Sprachführers, das einmal gefasste gute Vorhaben nicht so schnell wieder aufzugeben. Doch Hand aufs Herz, wer hat sich eine Fremdsprache aus irgendeinem – guten oder doch meist eher recht bescheidenen – Lehrwerk ganz allein zu Haus angeeignet?

 

Nun, seien wir ehrlich, wenn man den Entschluss gefasst hat, eine Fremdsprache wirklich lernen zu wollen, dann führt kein Weg am regelmäßigen Besuch eines Sprachkurses vorbei. Das kostet neben Zeit auch Geld. Ja, auch diese schnöde Hürde wird oft und gern übersehen. So gilt es, das Kursangebot in seiner Stadt sowie die Qualität des angebotenen Unterrichts zu überprüfen. Kriterien hierfür sind die Größe der Lernergruppe, die Qualifikation des/der Lehrer/s/in/nen, das Lernziel, die angewandte Methodik, die verwendeten Materialien, die Atmosphäre u. v. m.

 

Das ideale Lernklima entsteht im gesteuerten Unterricht in einer kleinen Gruppe von nicht mehr als vier oder fünf Gleichgesinnten. Und selbst wenn man in der glücklichen Lage ist, dass Geld keine Rolle spielt, ist man gut beraten, in einer Gruppe zu lernen. Denn Sprache kommt von Sprechen. Und das macht der Mensch nicht gern allein. Die Gruppe hilft uns, die Disziplin aufzubringen, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen, die Hausarbeiten zu machen, den Zeitplan einzuhalten, jederzeit zu überprüfen, wo man selber steht.

Hat man also die üblen Hürden des geringen Selbstvertrauens, der mangelnden Motivation, der fehlenden Zeit, des knappen Geldes positiv gewandelt in klare Zielvorstellungen, dann darf man sich mit Gewissheit freuen, dass das Erlernen von Sprachen auch im Erwachsenenalter kein Ding der Unmöglichkeit ist, sondern eine wunderbare Herausforderung und große Chance, auch den allgemeinen Horizont zu erweitern.

 

Ist der Anfang also geschafft, heißt es nur noch durchzuhalten. Dabei zu helfen, dafür sind ja auch noch die Lehrer da. Sie kennen die neuen Lernmethoden, haben ein klares Lehrkonzept, geben praktische Tipps, sorgen für schnelle Erfolgserlebnisse. Nur das Lernen können sie ihren Schülern noch nicht abnehmen. Jedoch: Erfolg verspricht, was Spaß macht.

 

Für europäische Ausländer besonders faszinierend ist die eigene Schrift des Thai. Sie gehört in die Familie der indischen Schriftsysteme. Das Thai-Schriftsystem ist wie das Deutsche ein alphabetischer Schrifttyp. Viele Thai-Lernende schrecken vor der großen Menge der Zeichen etwas zurück: das Thai-Alphabet umfasst 44 Konsonanten, 19 Vokalzeichen mit 56 verschiedenen Kombinationen, 8 weitere Hilfszeichen sowie eigene Ziffern. Doch Thai mit einer Umschrift (eine Wiedergabe der Laute mit „unseren“ romanischen Zeichen) lernen zu wollen, ist nicht nur ein unnötiger Umweg, sondern muss zwangsläufig scheitern. Da es keine einheitliche Transkription (Umschrift) der Thaischrift in eine lateinische Buchstabenfolge gibt, hat bisher so ziemlich jedes Lehrwerk seine eigene Thai-Umschrift erfunden. Das hat eher einen „Babel-Effekt“ bewirkt, als dass es das Lautsystem des Thai dem Lerner offenbart und erhellt hätte.

 

Dabei, es gibt ja ein Schriftsystem, welches exakt und eineindeutig die Laute und den Tonverlauf der Thai-Sprache darstellt und widerspiegelt. Zudem ist noch sehr schön: nämlich die Thai-Schrift.

Didaktisch gut strukturiert und mit ausgefuchsten Methoden gelehrt, macht es nicht nur richtig Spaß, all die Zeichen zu lernen, sondern es ist tatsächlich in kürzester Zeit zu bewältigen. So verspricht zum Beispiel die Lautbindungsmethode Lesefähigkeit der Thai-Schrift nach nur einem Monat intensiven Lernens! Das Erlernen des thailändischen Schriftsystems ist ohnehin eine grundlegende Voraussetzung, die Sprache sicher und richtig beherrschen zu können. Lesen und Schreiben zu können ist unerlässlicher Bestandteil einer modernen Kommunikation. Nicht zuletzt ist es Voraussetzung, ein Wörterbuch benutzen zu können. Ja, auch macht es Spaß, den einen oder die andere Thai mit der Schreib- und Lesekunst zu überraschen oder gar zu beeindrucken. Die Thai selbst haben zu ihren Schriftzeichen ein ganz eigenes, fast leidenschaftlich-sinnliches Verhältnis. So ist nicht nur Kalligrafie (kunstvolle Schönschrift) Unterrichtsgegenstand eines jeden Schülers im Lande, sondern die Buchstaben sind auch in vielfältiger Art und Weise Objekt der Kunst in Thailand – bis in die heutigen Tage der Moderne und Postmoderne.

 

Das zweite, den europäischen Lerner tief beeindruckende, besondere Charakteristikum des Thai ist sein phonemisches Tonsystem; d. h.: eine Silbe / ein Wort – die überwiegende Mehrheit der ererbten Wörter ist einsilbig – hat eine ganz bestimmte Tonhöhe, oder genauer: einen Tonhöhenverlauf. Das Thai ist also folglich eine Tonsprache; bis zu fünf bedeutungs-differenzierende Silbentöne sind möglich. Nehmen wir zur anschauenden Erklärung zum Beispiel die im Deutschen gleichklingende Silbe /maa/. Sie bedeutet im Thai, je nachdem wie man die Silbe ausspricht, ganz unterschiedliche Dinge: Im 'hochsteigenden Ton' gesprochen heißt /maa/ ins Deutsche übertragen 'das Pferd', im 'fragenden Ton' gesprochen bezeichnet /maa/ das Tier 'Hund' und im 'geraden Ton' gesprochen bedeutet /maa/ dagegen das deutsche Verb 'kommen'. Puh, ganz schön schwer! Und wenn man da nicht aufpasst, und den rechten Ton nicht trifft, kann ein gut gemeinter Satz schnell ungewollt Verwirrung stiften. Aber keine Sorge, unvollkommene Sprachkenntnisse nimmt ein Thai nicht übel, sie lösen eher meist große Heiterkeit aus.

 

Auch hier gibt es eine gute, wenn auch vielleicht überraschende Nachricht für den Thai-Lernenden: Das Deutsche ist auch eine „Tonhöhenverlaufs-Sprache“. Doch, doch im weiteren Sinne schon. Nur haben die Tonhöhenverläufe im Deutschen keine lexikalische, sondern eine grammatische Funktion, wie zum Beispiel „ein Fragezeichen zu setzen“. Wir müssen die Tonhöhen „nur“ neu vernetzen und schon nähern wir uns dem Klang des Thai. Sicherlich ist die Anleitung und Hilfestellung eines geschulten Lehrers sehr hilfreich.

 

Doch bis auf diese zwei genannten 'Mühseligkeiten' ist Thai gar nicht so schwer zu erlernen. Es gibt zwar noch einige ungewohnte Laute, doch im Gegensatz zum Französischen oder gar Portugiesischem fordern jene sowie diverse Aussprache-Besonderheiten keine allzu großen „Verrenkungen“ von einer deutsch-geübten Zunge.

 

Die schönste Kunde aber lautet: im Gegensatz zum Deutschen ist die Grammatik des Thai ausgesprochen einfach. Das Wort wird grundsätzlich nicht verändert. Es gibt also keine Pluralform, keine Deklination, keine Konjugation und somit keine Gegenwart-, Zukunft- und Vergangenheitsform beim Verb. Artikel vor Substantiven sind ebenfalls unbekannt. Auch gibt es keine Groß- und Kleinschreibung. Die klare Struktur der Thai-Grammatik ist gar nicht genug zu würdigen, bedenkt man all die Verzweifelungen, die einen asiatischen Deutsch-Schüler von Zeit zu Zeit heimsuchen.

 

Ansonsten gilt: es ist ein langer Weg, sich in einer fremden Sprache sicher und heimisch zu fühlen. Doch ohne ein gutes Fundament, wird es immer eine wackelige Angelegenheit bleiben. Doch Trost allen Schülern: auch der Lehrer bleibt immer ein Lernender.